Maschinenverordnung: Das sind die Anforderungen
Nachfolge der Maschinenrichtlinie bringt viele Änderungen für Hersteller
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UPDATE: Nach guten 15 Jahren wird die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG durch die EU-Maschinenverordnung abgelöst. Die Verordnung trägt das Datum 14.06.2023. Am 29. Juni 2023 wurde die Maschinenverordnung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Am 20. Januar 2027 tritt sie in Kraft.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Neue Struktur
Die Reihenfolge der Artikel und Anhänge ändert sich. Anwender der Maschinenverordnung müssen sich an neue Terminologien gewöhnen. Ein Beispiel: Maschinen, für die beim Konformitätsbewertungsverfahren unter gewissen Umständen eine benannte Stelle beigezogen werden musste, wurden in der Maschinenrichtlinie im Anhang IV aufgeführt – deshalb wurden sie üblicherweise als „Anhang IV-Maschinen“ bezeichnet. In der neuen Maschinenverordnung sind diese sogenannten „Hochrisikomaschinen“ aber in Anhang I geregelt.
Definition des Begriffs „Maschine“
In der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und im dazugehörigen Leitfaden sorgte der Begriff „Maschine“ gelegentlich für Verwirrung, weil er nicht eindeutig war. Er wurde nämlich sowohl als Überbegriff für Maschinen inklusive Ketten, Seile, Gurte, etc. als auch für „Maschinen im engeren Sinn“ entsprechend der Definition aus Artikel 2a (2006/42/EG) verwendet.
Die neue Maschinenverordnung unterscheidet dagegen klar zwischen „Maschinen“, „unvollständigen Maschinen“ und „verwandten Produkten“ (auswechselbare Einrichtungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile, Gurte sowie abnehmbare Gelenkswellen). Die neue Definition vermeidet eine Doppelbelegung des Begriffs, auch wenn sich der Text dadurch an manchen Stellen etwas sperrig liest.
Neues Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisikomaschinen
Für sogenannte Hochrisikomaschinen (z. B. Palletierer, Schwerlastkräne, Fahrtreppen) ändert sich das Konformitätsbewertungsverfahren. Diese ehemaligen „Anhang IV-Maschinen“ sind in der neuen Maschinenverordnung in Anhang I gelistet. Es wird zwischen zwei Sub-Typen (Typ A und Typ B) unterschieden, für die je nach Einstufung aus Anhang I jeweils drei Verfahren zur Konformitätsbewertung zur Anwendung kommen.
Eines jedoch ist bei allen Verfahren gleich: Hochrisikomaschinen müssen nach der neuen Maschinenverordnung immer von einer notifizierten Stelle abgenommen werden. Die Anwendung harmonisierter Normen allein reicht für die Konformität nicht mehr aus.
Die Liste der Maschinen mit hohem Risikopotenzial in Anhang I der Maschinenverordnung wird stetig angepasst. Änderungen werden von der EU-Kommission durch delegierten Rechtsakt vorgenommen.
Digitale Betriebsanleitung
Die digitale Betriebsanleitung kommt, aber mit Einschränkungen.
Das Bereitstellen einer rein digitalen Betriebsanleitung ist grundsätzlich nur für B2B-Produkte (Business-to-Business) möglich. Die digitalen Anleitungen müssen aber downloadbar und druckbar sein. Auf Verlangen muss der Hersteller dem Kunden innerhalb eines Monats eine gedruckte Betriebsanleitung aushändigen.
Für Anwender im nicht-industriellen Bereich – also für Verbraucherprodukte – ist eine Betriebsanleitung in Papierform weiterhin Pflicht.
Cybersecurity
In der alten Maschinenrichtlinie waren Risiken im Zusammenhang mit digitalen Technologien nicht ausreichend abgedeckt. Doch durch die neue Maschinenverordnung wird das Thema „Security“ zur Herstellerpflicht. Hersteller von Maschinen müssen Vorkehrungen gegen Risiken treffen, die sich aus böswilligen Handlungen Dritter ergeben können und die Maschinensicherheit betreffen. Punkt 1.1.9 aus Anhang III der Maschinenverordnung definiert die Anforderungen an den Schutz einer vernetzten Maschine vor Manipulationen durch Hardware oder Software.
Künstliche Intelligenz (KI)
Eine weitere Änderung in den grundlegenden Anforderungen (Anhang III) der Maschinenverordnung betrifft die Künstliche Intelligenz. Die Risikobeurteilung einer Maschine, die sich durch autonomes Verhalten entwickelt und verändert (KI), muss künftig auch die Risiken berücksichtigen, die nach dem Inverkehrbringen der Maschine aufgrund ihres sich entwickelnden und autonomen Verhaltens auftreten können.
Warum Verordnung statt Richtlinie?
Aktuell wird die Maschinensicherheit in Europa mit einer EU-Richtlinie, der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, geregelt. EU-Richtlinien sind nicht unmittelbar gültig, sondern müssen erst durch nationale Rechtsakte in geltendes Recht „umgewandelt“ werden. Das hat zur Folge, dass innerhalb der EU unterschiedliche Auslegungen und Umsetzungen der Richtlinie existieren.
Die neue Maschinenverordnung ist eine EU-Verordnung. EU-Verordnungen müssen in allen Mitgliedstaaten unmittelbar angewendet werden. Mit dem Wechsel des Rechtsinstruments soll eine EU-weit einheitliche Auslegung und Umsetzung der Vorgaben erreicht werden. Der Aufwand wird reduziert und die Rechtsklarheit verbessert.
Ab wann muss die neue Maschinenverordnung angewandt werden?
Die Verordnung trägt das Datum 14.06.2023. Am 29. Juni 2023 wurde die Maschinenverordnung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Am 20. Januar 2027 tritt sie in Kraft. (Im Text der Verordnung ist der 14.01.2027 genannt; das Datum des Inkrafttretens wurde am 04.07.2023 durch eine Berichtigung im EU-Amtsblatt auf den 20.01.2027 korrigiert).
Hersteller haben somit 3,5 Jahre Zeit, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Auf die lange Bank können sie das Thema aber nicht schieben – schließlich müssen zum Stichtag Konformitätserklärungen, technische Unterlagen, etc. entsprechend der neuen Verordnung erstellt sein.
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